Das Barbie Komplott
Über die neue Kanzlerin Angela Merkel
„Es ist ein Mädchen“, titelte die taz, als Angela Merkel Kanzlerin wurde. Die irritierten, erstaunten, glücklichen oder enttäuschten Erzeuger dieses neuen Wesens an der Spitze der Regierung, die Wähler, blinzelten skeptisch in die Zukunft.
Darüber, wie es dazu kommen konnte, wird eher insgeheim denn öffentlich gegrübelt: Eine Frau. Eine Frau aus dem Osten. Eine Frau aus der CDU. Eine Frau, die Physikerin von Beruf ist. Eine Angehörige von lauter Minderheiten. Sie hat es geschafft, auf den Chefsessel der Nation zu klettern –und das in einem Land, in dem eine kleine radikale Minderheit die Polster solcher Sessel in Wirtschaft, Medien und Universitäten mit Geschick gegen die Abnutzung durch Unbefugte zu verteidigen weiß.
Warum ist das Mädchen-Komplott ausgerechnet in der christlichen Partei so erfolgreich gewesen? Die Antwort liegt auf der Hand: Die waren nicht wachsam genug bei der Sesselpolster-Verteidigung.
Die altgedienten Linken dagegen, durch die frühesten Regungen des Feminismus mit weiblichen Machtansprüchen konfrontiert, hatten lange genug Zeit, ihr innerparteiliches Immunsystem gegen dergleichen zu mobilisieren. Dieses reagiert sofort. Bei dem ersten Anzeichen von Sesselbesteigung durch ein weibliches Wesen erkennt es den Eindringling und erzeugt eine erfolgreiche Abwehrreaktion.
Le Monde Diplomatique, 10.02.2006