Worte finden
Über koloniale Sprache und bessere Lösungen
… Dass sie, die Kolonialisten, als bleiche Europäer mit Maschinengewehren besonders gut abschnitten, nahmen sie als Beweis ihrer Berufung zur Herrschaft: The white man’s burden.
Ich brauche diese sich selbst erzeugende Logik nicht weiter zu erklären – wir kennen sie allzu gut, sie ist uns, wie man so schön sagt, in Fleisch und Blut übergegangen, sie ist in unserer Geschichte, sie IST unsere Geschichte. Sie ist unserem Bild von uns selbst und von der Welt eingeschrieben. Dem Bild, das sich in der Sprache spiegelt, die wir benutzen.
Studierende der Geisteswissenschaften heute glauben, dass, wenn die koloniale Sprache verschwindet, auch das zugehörige Denken verschwinde. Aber Sprache ist kreativ, wandelbar wie ein Flusslauf, und das Denken, das ihr zufließt und sie nährt, findet seinen Weg hinein, das emanzipatorische und das ausgrenzende gleichermaßen. Neue Worte gibt es nicht. Das ist vermutlich im Hinblick auf jede Art von Machtverhältnis so, ob es nun Herkunft, Klasse oder Geschlecht betrifft. Die Worte sind alt, hierarchisch, verletzend.
Le Monde Diplomatique, 11.03.2021